Warte nicht auf die „Erleuchtung“ – zünde „Selbst“ ein Licht in Dir an

Wir Frauen und Männer, die wir uns für Yoga interessieren und  mit Hingabe praktizieren, gehen  auf dem Yoga-Weg durch verschiedene Entwicklungsphasen. Sofern wir die damit verbundene Philosophie ernst nehmen und danach leben, und Yoga nicht nur als amüsante, sportliche Freizeitbeschäftigung betrachten, eint uns ein anspruchsvolles Ziel.   

Das, was wir anstreben, sind beständige innere Harmonie und Wohlgefühl, Verbindung zum wahren Selbst und in einer erhöhten Betrachtung, Erleuchtung. Wobei ich die Erkenntnis von Buddha bevorzuge, der nicht von der großen „Erleuchtung“ sprach, sondern bescheidener, vom „Erwachen“. Also einfach ein Zustand des bewussten Seins, im Einklang mit den Gesetzmäßigkeiten der Natur, den kosmischen Gegebenheiten und den alltäglichen Herausforderungen.

Überzogene Erwartungen an die Zukunft

Wenn wir in diese Richtung unterwegs sind und uns mit den genannten Zielen identifizieren, dann richten wir unseren Blick nach vorn, in die Zukunft.  Wir erwarten, dass ein verheißungsvoller Zustand dauerhafter Akzeptanz und Zufriedenheit auf uns zukommt, uns quasi widerfährt. Also warten wir im Prinzip darauf, dass es eines Tages hoffentlich „Klick“ macht, und dass wir dann die große Erkenntnis verspüren, wer wir wirklich in unserem tiefen Wesen sind und was der wahre Sinn unseres Daseins in diesem Leben ist. Und dann werden wir endlich glücklich und zufrieden sein, bis ans Ende unserer Tage… „ und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute…“

Ich möchte diese bekannte Schlussphrase aus Märchen und Sagen umdrehen  und dann könnte sie lauten: „…und wenn sie heute leben, dann sind sie noch nicht gestorben…“ Der Fokus liegt auf dem Heute leben, also in der Gegenwart, oder wie man auch gern sagt „ im Hier und Jetzt“. Dabei habe ich den Eindruck, dass viele Menschen diese Aussage in ihrer Bedeutung noch nicht wirklich erkannt haben. Im Hier und Jetzt leben heißt,  nicht abwarten und hoffen auf eine überirdische Erscheinung oder auf das, was uns vielleicht Gutes in der Zukunft geschieht. Nein, es verlangt, dass wir ganz bewusst und vor allem auch aktiv jetzt, heute, für einen Befindlichkeitszustand sorgen, der uns innerlich frei und stark sein lässt; damit wir schon in der Gegenwart Wohlgefühl, Geborgenheit und Freude in unserem wahren Wesen genießen können. Wir nehmen also unser Leben selbst in die Hand. Wer sollte es denn sonst für uns tun?

Das setzt aber voraus, dass wir uns von unseren überzogenen Erwartungen an eine Lösung von Außen oder an das Wunder einer Erleuchtung oder Befreiung, wie auch immer sie geschehen sollten, verabschieden und stattdessen selbst ein Licht in uns anzünden – wenn wir denn für Andere und nicht zuletzt auch für uns selbst, Licht sein wollen -.

 

Erwachen im Jetzt ist möglich

Diese Entscheidung und die daraus folgenden Handlungen kann und wird uns niemand abnehmen. Das ist unsere ureigene Aufgabe, und wenn wir es nicht tun, werden wir diesen einzigartigen, verlockenden Zustand der Einheit,  Freiheit und Harmonie nicht erleben.

Ich bin mir sicher, dass es möglich ist, selbst für die eigene „Erleuchtung“ oder das „Erwachen“ zu sorgen. Wir sind alle göttliche, auserwählte Wesen und jeder von uns trägt das strahlende Licht seiner Einzigartigkeit in sich, sonst könnten wir gar nicht existieren. Aber leider haben viele den Zugang zu ihrem inneren, heiligen Raum, wo sie sich geschützt und sicher fühlen können und im Einklang mit sich sind, verloren. Sie haben aufgehört zu leuchten und ihre Ausstrahlung und Lebensfreude ist zugedeckt von Alltagssorgen und enttäuschenden Erfahrungen.

Unsere Gedanken bewegen sich oft im Spannungsfeld zwischen leidvollen, belastenden Erlebnissen der Vergangenheit und sehnsuchtsvollen Zukunftserwartungen. Aber das Leben findet nur in der Gegenwart statt. Sobald wir über Vergangenes nachdenken und es zulassen, dass schmerzhafte Erinnerungen unser Denken und Fühlen bestimmen, haben wir den Kontakt zur Gegenwart und damit zu uns verloren. Und wenn wir uns mit vagen Hoffnungen, Träumen, Wünschen und Zukunftsängsten beschäftigen, blockieren wir ebenfalls den Zugang zu unserem inneren Kern und Wonnegefühl, das die Inder als – Sat-Chid-Ananda – bezeichnen; absolutes Sein, Wissen und Glückseligkeit.

Wege zur harmonischen Einheit und Verbindung

Wie könnte es uns denn gelingen, weitgehend konstant bei uns, sprich gegenwärtig zu bleiben bzw. wenn wir in die Vergangenheits- und Zukunftsfalle geraten sind, wieder aus diesem bedrückenden Zustand herauszukommen?  Die Antwort liegt in der Weisheit unseres Körpers und der Kontrolle unserer Gedanken. Wenn wir in der Lage sind, möglichst gedankenfrei unseren Körper zu spüren, unsere mentalen Begrenzungen wahrzunehmen und durch Konzentration auf die Atmung in einen erweiterten Bewusstseinszustand zu gelangen, haben wir die Chance, uns intensiv zu spüren und wieder in eine harmonische Verbindung mit uns zu kommen.

Ein hilfreicher Weg ist es, den Körperkontakt nicht nur von Außen, durch Bewegung und Berührung herzustellen, sondern sich mental in das Innere des Körpers hineinzuversetzen und aus der Geborgenheit dieses inneren „Zuhauses“ die Außenwelt zu betrachten und wahrzunehmen. Idealerweise beginnt man den Weg in den Körper mit einer längeren Meditation, um sich einzustimmen und Schritt für Schritt ganz zu öffnen.

 

Danach konzentriert man sich ganz bewusst auf die Körperwahrnehmung. Man fängt an mit einer liebevollen Kontaktaufnahme zu den Füßen, verbunden mit einem Dank an diese wichtigen Körperteile, die uns durch das Leben tragen und die Verbindung zu unserem „Grounding“, zur Erdverbindung, sind. Dann wandert man mit seiner Aufmerksamkeit Schritt für Schritt weiter über die anderen Körperteile – Beine, Becken, Rücken, Brustkorb, Hände, Arme, Schulter, Nacken bis hoch zum Kopf.

Jede Region wird  sanft und freundlich, mit dankbaren Worten und Gefühlen gewürdigt.  Wir können diesen Kontakt auch mit einer liebevollen Berührung unterstützen und intensivieren.

Körperempfinden und Atmung schaffen Bewusstsein

Aus dieser sanften, einfühlsamen Vorgehensweise wird sich das Gespür entwickeln, über welche Körperregion der Zugang in das Körper-Innere erfolgen kann. Hierbei hilft uns vor allem eine tiefe, gleichmäßige Atmung, die richtige Eingangspforte zu finden. So wie die Atemwelle rhythmisch unseren Körper bewegt, können auch wir uns dieser genuinen Bewegung hingeben und uns in der Schwingungsfrequenz mit dem Körper vereinen und zu einem Gefühl der Ganzheit kommen. Wir bewohnen ganz bewusst unsere körperliche Hülle, verbinden uns mit der ihr innewohnenden Energie und können  somit die übliche Dominanz des Verstandes temporär verlassen.

Wenn wir uns in unserem eigenen Energiefeld eingerichtet haben und uns an dem, was wir verkörpern und fühlen, erfreuen, sind wir gegenwärtig. Das heißt, wir sind in einem Bewusstseins-Zustand,  der uns erlaubt, alles was mit uns und um uns herum geschieht anzunehmen und so zu lassen, wie es ist. Wir empfinden uns im Einklang und damit in Verbindung mit dem Selbst, mit unserer wahren Natur.

Und dann werden wir erkennen, dass wir diese Wahrheit, diese Vollkommenheit, dieses Urwissen, bereits von Anbeginn an in uns getragen haben. Wir spüren wieder das Licht, das in uns brennt und uns wärmt und heil sein lässt. In diesem Zustand brauchen wir nicht mehr nach Außen oder hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen, um unseren inneren Frieden und ein bejahendes Lebensgefühl zu finden. Alles, was wir für ein erfülltes Leben brauchen, ist schon in uns und steht uns zur Verfügung.

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