Die Kraft der Freundlichkeit

Dankbarkeit und Freundlichkeit sind Fähigkeiten, die wir alle in uns tragen und die wir aus unserem Verhalten heraus beeinflussen und praktizieren können. Ich kann mir in Erinnerung rufen, wofür ich dankbar sein kann und fördere damit meine innere Zufriedenheit – und ich kann als Grundeinstellung, mit der ich durchs Leben gehe, bewusst freundlich sein.

Das heißt, ich lasse mich nicht einfach von meinen Stimmungen, Glaubenssätzen und Prägungen leiten und manchmal überwältigen, sondern ich mache mir bewusst, dass ich mit Freundlichkeit mein Lebensgefühl positiv beeinflussen und Lebensenergie entfalten kann.

Im Yoga gibt es ein wichtiges Wort, es heißt Viveka. Viveka bedeutet Unterscheidungs- und Entscheidungsfähigkeit. Wenn ich unterscheiden kann zwischen Wirklichkeit und Unwirklichkeit, zwischen dem was mir guttut und was mir nicht guttut, dann Ich kann mich auch entscheiden, auf welche Seite ich mich stelle und wie ich in das Leben hineingehe.

Die menschliche Natur hat ja ein Doppelgesicht. Es gibt eine egoistische, rücksichtslose, herzlose, brutale Seite und eine freundliche, hilfsbereite, vertrauensvolle, liebevolle Seite. Je nach den Umständen und Situationen in denen Menschen sich befinden, kann es sein, dass mal die eine und mal die andere Seite aktiv wird. Aber sind wir diesen Gefühlen willenlos ausgeliefert? Nein! Wir können uns entscheiden, wer und wie wir sein wollen. Und das ist in jeder Lebensphase möglich. Es kommt nicht einmal darauf an, wie alt man ist. „Es ist nie zu spät, der Mensch zu werden, der man gern sein möchte.“

In der Geschichte von den zwei Wölfen sind die in uns widerstreitenden Gefühle und Verhaltensweisen treffend beschrieben.

Einmal saßen der alte Indianer-Häuptling uns sein kleiner Enkel im Zelt beieinander. Gern hörte der kleine Junge seinem weisen Großvater zu. Heute erzählte er dem Jungen folgende Geschichte: „In jedem Menschen wohnen zwei Wölfe, die miteinander kämpfen. Der eine Wolf hat negative Eigenschaften: Er ist voll von Egoismus, Pessimismus, Habsucht,Grausamkeit, Gier, Unglaube, Hass, Wut, Missgunst und Neid. Der andere Wolf ist das genaue Gegenteil: Er ist voll von Liebe, Vertrauen, Glaube, Hoffnung, Freude, Wärme, Freundlichkeit, Freundschaft und Zuneigung.“

Der kleine Indianerjunge überlegte lange. Dann fragt er den Großvater: „Wenn jeder von uns diese beiden Wölfe in sich trägt, die miteinander kämpfen, welcher von beiden siegt dann am Schluss?“ Da lächelte der alte Mann und antwortetz: „Der, den Du fütterst. Es siegt immer der, den Du fütterst.

Was Freundlichkeit ist, weiß ja jeder von uns. Es bedeutet, anderen Menschen mit Wohlwollen, Respekt und Rücksicht zu begegnen. Sie nicht als Hindernis oder Mittel zum Zweck zu betrachten, sondern als seinesgleichen, mit ihren eigenen Sorgen, Wünschen und Vorstellungen. Ich finde hier das indische Begrüßungsritual „Namasté“ als besonders wegweisend und hilfreich. Denn Namasté heißt übersetzt: „Das Göttliche in mir grüßt oder respektiert das Göttliche, was ich auch in Dir sehe. Das wird meist noch begleitet von einer kleinen Verneigung.

Es drückt also viel viel mehr aus, als ein kurzes „Hallo“, „Hi“ oder „Moin“, wie es bei uns üblich ist.

Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Studien, die den Einfluss von Freundlichkeit auf Physis und Psyche gemessen haben. Freundlichkeit senkt z.B. den Blutdruck, stärkt das Herz-Kreislauf-System, beschleunigt die Wundheilung, fördert die Ausschüttung von Glückshormonen wie Oxytocin und Endorphin und verlangsamt auch den Alterungsprozess.

Und mit Freundlichkeit meine ich nicht nur, dass wir zu anderen Menschen freundlich sind, sondern vor allem auch zu uns selbst. Das ist ja das faszinierende daran, dass sowohl der Empfänger als auch der Geber von Freundlichkeit profitieren. Denn wenn ich freundlich zu anderen bin, hat das auch positive Effekte auf mich selbst. Dazu gibt es einen schönen Gedanken von Mark Twain: „Kein Mensch kann sich wohlfühlen, wenn er sich nicht selbst akzeptiert und zu sich selbst freundlich ist.“ Das drückt sich u.a. darin aus, dass ich mir mal ein kleines Lächeln schenke, dass ich mir ab und zu gedanklich auf die Schulter klopfe und sage: „Das hast du gutgemacht; ich bin stolz auf dich.“Mit solch kleinen Gesten der Wertschätzung können wir in dieser z.Zt. wenig freudvollen Welt, zumindest in unserer kleinen, privaten Welt für ein bisschen mehr Frieden, Freude und Freundlichkeit sorgen. Wenn wir freundlich sind, tun wir uns selbst etwas Gutes und lassen andere an unserer Lebensenergie teilhaben. Wir erschaffen uns so ein Wohlgefühl. Es ist so, als wenn sich in einem Himmel voller Wolken eine Lücke öffnet und die Sonne durchscheint.

Mein Schwiegervater war ein weiser Mann. Er sagte gern: „man schaut lieber in ein freundliches Gesicht, als in ein Griesgrämiges.“ Und damit hatte er recht.  Er selbst hat das immer beherzigt und vorgelebt, selbst als er in seinen letzten Jahren im Rollstuhl sitzen musste. Manchmal sagte er auch mit einem kleinen Lächeln „Freundlichkeit kostet nichts und entspannt.“ Vielleicht kostet es etwas Anstrengung und Überwindung aber man wird meist belohnt mit einer positiven Reaktion von den Menschen, zu denen wir freundlich sind und man fühlt sich selbst besser. Man kann es auch mit einem Wort von Konfuzius sagen: „Es ist besser, ein Licht anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.“

Dankbarkeit – ein wichtiger Schlüssel zur Zufriedenheit

Wir befinden uns z.Zt. in einer Phase großer, gravierender Veränderungen. Veränderungen, die keiner von uns in dieser Form jemals erlebt hat.Dabei vergessen wir oft, dass der Wandel eine ganz normale Entwicklung ist. Wenn wir mal 30 – 50 – 100 Jahre oder noch weiter zurückblicken und uns vor Augen führen, wie die Menschen damals gelebt haben, dann wird uns sofort bewusst, welche wesentlichen Veränderungen die Menschheit in ihrer Geschichte schon erlebt und gemeistert hat.

Unabhängig davon haben wir aber nach wie vor hohe Ansprüche und wachsende Erwartungen an ein gesichertes, glückliches, erfülltes Leben. Doch unser Blick auf das Leben ist getrübt, denn er ist oft ausgerichtet auf das, was uns vermeintlich noch fehlt, um zufrieden zu sein. Wir haben den Mangel im Fokus, schauen meist auf das was fehlt, was nicht in Ordnung ist. Und gerade in der jetzigen Zeit halten uns die Medien täglich vor Augen, was alles nicht stimmt, was dringend saniert werden muss, wo besondere Defizite und Fehler sind, was besser und perfekter sein könnte.

Diese gesamte Situation löst Gefühle der Unzufriedenheit in uns aus. Es lässt uns zweifeln, manchmal mutlos, ja ängstlich werden. Wir sind irritiert und es gelingt uns nur schwer, zur Ruhe zu kommen.

Die Frage ist: Gibt es eine Möglichkeit, aus diesem Teufelskreis auszusteigen? – Ja, die gibt es! Wir könnten das temporär schaffen, wenn wir ganz bewusst einen Perspektivwechsel vollziehen. Wenn wir unseren Blick mal auf das richten, was wir schon haben. Was uns gelungen ist, was wir erreicht haben – und wofür wir wirklich dankbar sein können.

Dankbarkeit ist ein wichtiger Schlüssel zur Zufriedenheit. Wenn ich es schaffe, dankbar zu sein, für das, was mir gegeben ist, dann löse ich mich von meinem „Mangel-Blick“ und werde mit Zufriedenheit und Gelassenheit belohnt. – Dankbarkeit ist nichts anderes als „Übungssache“. Das bedeutet, ich kann im Alltag immer mal wieder innehalten und mir die schönen kleinen und größeren Dinge, die Menschen, die mir wichtig sind, besondere Situationen, Erlebnisse und Errungenschaften in Erinnerung rufen, für die ich von Herzen dankbar bin

Der Herbstanfang ist der ideale Zeitpunkt, um bewusst damit zu beginnen. Herbstzeit ist die Zeit der Dankbarkeit – und Dankbarkeit lässt uns erkennen, wie reich unser Leben bereits beschenkt ist.

Reisebericht Goa

 Yoga-Retreat im Gute-Laune-Paradies        – Zu den Quellen vonWohlgefühl und Lebensfreude –  Ich habe meinen Traum verwirklicht. Yoga in Indien. Schon lange war es ein Herzenswunsch, dieses faszinierende Land mit all seinen Geheimnissen und Widersprüchlichkeiten kennenzulernen. Meine Leidenschaft für Yoga einmal da  auszuleben, wo er herkommt und seit Jahrtausenden zu Hause ist.  Zusammen mit 14 Yoginis und 5 […]

„DESTROYED JEANS“ – Modetrend, Kulturphänomen oder einfach nur stillos?

Haben Sie auch eine „zerrissene Jeans“ im Schrank? Entweder billig bei H+M oder ZARA gekauft oder teuer bei einem edlen Designer? Oder haben Sie etwa Ihrer alten Lieblingsjeans den „In-Look“ verpasst und am Knie oder anderen Stellen selbst die Löcher reingeschnitten?

Viele hatten ja gehofft, dass dieser Modetrend schnell vorbei ist und die pubertäre Gammelphase, die selbst die Erwachsenen erfasst, ihren Höhepunkt überschritten hat.  Aber denkste, es wird immer schlimmer. Vielleicht ist es ja auch mehr als nur ein Modetrend und wir haben es mit einer weiteren Phase kultureller Entwicklung  zu tun?

Wenn Jugendliche auf diese Weise ihren Protest zeigen oder sich als Symbol einer Rebellion bewusst von der Welt der Erwachsenen und Etablierten abgrenzen wollen, kann man das ja noch verstehen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich in meiner Jugend am liebsten meinen grünen Army-Parka mit US-Flagge anhatte und damit meinen Vater zur Weißglut trieb.

Aber mittlerweile folgen ja Männer und Frauen aller Altersgruppen – bis hinauf zu den Rentnern – diesem ärmlichen Trend und „Jugendwahn“ und rennen gewollt lässig mit ihren kaputten Jeans im „Asi-Look“ durch die Stadt. Oder sie gehen stolz und völlig schamlos damit beim „Edelitaliener“ zum Essen; selbst ein Klassikkonzert in der Oper ist vor ihnen nicht sicher. Und dabei finden sie sich noch hip und overcool. Das macht mich echt sprachlos und ratlos.

Was geht da ab? Was denken sich die Leute dabei? Stellt sich bei Ihnen dann tatsächlich ein Gefühl von Freiheit, Sportlichkeit, Unabhängigkeit, Jugendlichkeit und Coolness ein, so wie es die cleveren Werbefuzzis versprechen?

Natürlich haben es uns die sogenannten Stars, Sternchen, Streetstyler und neuerdings auch „Influencer“ vorgemacht. Dass Till Schweiger eine und Heidi Klum und Madonna mit Sicherheit mehrere zerrissene Hosen im Schrank haben, wundert mich nicht. Und dass auch Comedians, Musiker, und andere Lebenskünstler sich damit zeigen, gehört wohl zum Leben eines Bohemien dazu.

 

Aber mittlerweile hat diese Seuche alle Schichten der Gesellschaft infiziert. Egal ob Manager, Ärzte, Beamte, Handwerker, Angestellte, in nahezu allen Tätigkeitsfeldern  laufen Männer und Frauen nicht nur privat, sondern zum Teil auch geschäftlich mit zerrissenen Jeans durch die Gegend bzw. durch die Büros. Offensichtlich haben  Arm und Reich in diesem kulturbefreiten Outfit einen gemeinsamen Ausdruck ihres Lebensgefühls gefunden. Da bin ich wirklich fassungslos.

Der Gipfel dieser „Bekleidungs-Anarchie“ schien mir neulich erreicht, als unsere sonst so seriös und stilvoll gekleidete Tagesschausprecherin Judith R. den Talkshowklassiker 3nach9 mit kunstvollem Knieschnitt in ihrer Jeans  moderierte. Das hat mich erschüttert; das hätte ich nicht von Judith gedacht.

Die Textilbranche freut sich, macht riesige Geschäfte und die Marketingexperten finden immer neue Begriffe für diesen Schwachsinn. „Natürlicher kaputter Look“, „Verschlissene Schönheit“, „Lässiger Look in zerstörter Optik“ etc. Die renommierte Modezeitschrift „ELLE“ hat dazu extra einen Styleguide herausgegeben: „ 5 Gebote für den Weg zu einer perfekt  zerrissenen Jeans“. Und fast alle bekannten Modemarken hängen sich an den Trend des „Unconventional Dressing“ dran und versuchen damit Umsatz zu machen. Bei DOLCE & GABBANA gibt es im Ausverkauf die „Destroyed Jeans“,  die eigentlich nur noch aus Fetzen besteht, schon für unter 200 EUR. Ist das nicht super?

Und so richtig lässig wirkt die zerfranste Gammeljeans, wenn sie durch  „fette“ Accessoires geadelt wird, zum Beispiel mit der Tasche von PRADA, den Schuhen von MANOLO BLAHNIK, dem Shopper von FENDI, der Kette von POMELLATO oder der Uhr von BREITLING oder ROLEX. Echt Geil!

Der hippste Trend ist jetzt die „Underbutt-Jeans“, hier werden die Schnitte ganz kunstvoll knapp unter dem Gesäß angebracht, um auch diesem wertvollen Körperteil die notwendige Aufmerksamkeit zu geben. Da bekommt  doch der Ausdruck  „das geht mir am Arsch vorbei“ tatsächlich eine ganz neue Bedeutung.

Aber jetzt mal ernsthaft.  Wenn sich eine hochentwickelte Überflussgesellschaft  auf diese absurde Weise optisch präsentiert, dann mag das zwar kulturell interessant sein, aber vor allem sollte man sich fragen, ob hier nicht ein gestörtes Verhältnis zu den „klassischen“  Werten und Tugenden wie Geschmack, Stil, Würde, Respekt und Ordentlichkeit vorliegt.

Wer schon einmal in den armen Ländern der Dritten Welt unterwegs war, wird dort festgestellt haben, dass saubere, ordentliche Kleidung zu den ganz wichtigen Dingen des täglichen Lebens gehört. Die Menschen dort, die nichts oder wenig haben, achten sehr auf ihr Äußeres und sie würden sich schämen, so ungepflegt  und gammelig durch die Gegend zu laufen, wie wir es heute vielfach in unseren Städten beobachten können.

Den Trend der Destroyed Jeans kann man durchaus auch als Zeichen einer zunehmenden Armuts- und Sozialverachtung werten, obwohl sich die meisten dieser freizügigen Jeansträger darüber mit Sicherheit keine Gedanken machen.

Aber wie schon der Name „Destroyed“ sagt, ist da etwas zerstört oder zumindest nachhaltig gestört, nämlich das Gefühl dafür, dass es einfach stillos, unwürdig, respektlos und auch dämlich ist, mit bewusst zerrissenen Hosen und neuerdings auch löchrigen Jacken durch die Gegend zu laufen und dafür noch Geld zu bezahlen. Wer glaubt, damit Akzente zu setzen und ein Image von Lässigkeit, Überlegenheit und Unabhängigkeit  zu vermitteln, hat aus meiner Sicht das richtige Gespür für sich und seine Umwelt verloren. Frei nach Karl Lagerfeld,  der schon beim Tragen einer Jogginghose befürchtet, dass man dann die Kontrolle über sein Leben verloren hat.

Ich halte mich an den Spruch: „An den Federn erkennt man den Vogel“, und ich werde auf keinen Fall meine geliebte alte LEVIS bewusst zerstören und Löcher reinschneiden. Es freut mich, dass sie mir nach all den Jahren noch passt und cool und gepflegt aussieht.

Warte nicht auf die „Erleuchtung“ – zünde „Selbst“ ein Licht in Dir an

Wir Frauen und Männer, die wir uns für Yoga interessieren und  mit Hingabe praktizieren, gehen  auf dem Yoga-Weg durch verschiedene Entwicklungsphasen. Sofern wir die damit verbundene Philosophie ernst nehmen und danach leben, und Yoga nicht nur als amüsante, sportliche Freizeitbeschäftigung betrachten, eint uns ein anspruchsvolles Ziel.   

Das, was wir anstreben, sind beständige innere Harmonie und Wohlgefühl, Verbindung zum wahren Selbst und in einer erhöhten Betrachtung, Erleuchtung. Wobei ich die Erkenntnis von Buddha bevorzuge, der nicht von der großen „Erleuchtung“ sprach, sondern bescheidener, vom „Erwachen“. Also einfach ein Zustand des bewussten Seins, im Einklang mit den Gesetzmäßigkeiten der Natur, den kosmischen Gegebenheiten und den alltäglichen Herausforderungen.

Überzogene Erwartungen an die Zukunft

Wenn wir in diese Richtung unterwegs sind und uns mit den genannten Zielen identifizieren, dann richten wir unseren Blick nach vorn, in die Zukunft.  Wir erwarten, dass ein verheißungsvoller Zustand dauerhafter Akzeptanz und Zufriedenheit auf uns zukommt, uns quasi widerfährt. Also warten wir im Prinzip darauf, dass es eines Tages hoffentlich „Klick“ macht, und dass wir dann die große Erkenntnis verspüren, wer wir wirklich in unserem tiefen Wesen sind und was der wahre Sinn unseres Daseins in diesem Leben ist. Und dann werden wir endlich glücklich und zufrieden sein, bis ans Ende unserer Tage… „ und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute…“

Ich möchte diese bekannte Schlussphrase aus Märchen und Sagen umdrehen  und dann könnte sie lauten: „…und wenn sie heute leben, dann sind sie noch nicht gestorben…“ Der Fokus liegt auf dem Heute leben, also in der Gegenwart, oder wie man auch gern sagt „ im Hier und Jetzt“. Dabei habe ich den Eindruck, dass viele Menschen diese Aussage in ihrer Bedeutung noch nicht wirklich erkannt haben. Im Hier und Jetzt leben heißt,  nicht abwarten und hoffen auf eine überirdische Erscheinung oder auf das, was uns vielleicht Gutes in der Zukunft geschieht. Nein, es verlangt, dass wir ganz bewusst und vor allem auch aktiv jetzt, heute, für einen Befindlichkeitszustand sorgen, der uns innerlich frei und stark sein lässt; damit wir schon in der Gegenwart Wohlgefühl, Geborgenheit und Freude in unserem wahren Wesen genießen können. Wir nehmen also unser Leben selbst in die Hand. Wer sollte es denn sonst für uns tun?

Das setzt aber voraus, dass wir uns von unseren überzogenen Erwartungen an eine Lösung von Außen oder an das Wunder einer Erleuchtung oder Befreiung, wie auch immer sie geschehen sollten, verabschieden und stattdessen selbst ein Licht in uns anzünden – wenn wir denn für Andere und nicht zuletzt auch für uns selbst, Licht sein wollen -.

 

Erwachen im Jetzt ist möglich

Diese Entscheidung und die daraus folgenden Handlungen kann und wird uns niemand abnehmen. Das ist unsere ureigene Aufgabe, und wenn wir es nicht tun, werden wir diesen einzigartigen, verlockenden Zustand der Einheit,  Freiheit und Harmonie nicht erleben.

Ich bin mir sicher, dass es möglich ist, selbst für die eigene „Erleuchtung“ oder das „Erwachen“ zu sorgen. Wir sind alle göttliche, auserwählte Wesen und jeder von uns trägt das strahlende Licht seiner Einzigartigkeit in sich, sonst könnten wir gar nicht existieren. Aber leider haben viele den Zugang zu ihrem inneren, heiligen Raum, wo sie sich geschützt und sicher fühlen können und im Einklang mit sich sind, verloren. Sie haben aufgehört zu leuchten und ihre Ausstrahlung und Lebensfreude ist zugedeckt von Alltagssorgen und enttäuschenden Erfahrungen.

Unsere Gedanken bewegen sich oft im Spannungsfeld zwischen leidvollen, belastenden Erlebnissen der Vergangenheit und sehnsuchtsvollen Zukunftserwartungen. Aber das Leben findet nur in der Gegenwart statt. Sobald wir über Vergangenes nachdenken und es zulassen, dass schmerzhafte Erinnerungen unser Denken und Fühlen bestimmen, haben wir den Kontakt zur Gegenwart und damit zu uns verloren. Und wenn wir uns mit vagen Hoffnungen, Träumen, Wünschen und Zukunftsängsten beschäftigen, blockieren wir ebenfalls den Zugang zu unserem inneren Kern und Wonnegefühl, das die Inder als – Sat-Chid-Ananda – bezeichnen; absolutes Sein, Wissen und Glückseligkeit.

Wege zur harmonischen Einheit und Verbindung

Wie könnte es uns denn gelingen, weitgehend konstant bei uns, sprich gegenwärtig zu bleiben bzw. wenn wir in die Vergangenheits- und Zukunftsfalle geraten sind, wieder aus diesem bedrückenden Zustand herauszukommen?  Die Antwort liegt in der Weisheit unseres Körpers und der Kontrolle unserer Gedanken. Wenn wir in der Lage sind, möglichst gedankenfrei unseren Körper zu spüren, unsere mentalen Begrenzungen wahrzunehmen und durch Konzentration auf die Atmung in einen erweiterten Bewusstseinszustand zu gelangen, haben wir die Chance, uns intensiv zu spüren und wieder in eine harmonische Verbindung mit uns zu kommen.

Ein hilfreicher Weg ist es, den Körperkontakt nicht nur von Außen, durch Bewegung und Berührung herzustellen, sondern sich mental in das Innere des Körpers hineinzuversetzen und aus der Geborgenheit dieses inneren „Zuhauses“ die Außenwelt zu betrachten und wahrzunehmen. Idealerweise beginnt man den Weg in den Körper mit einer längeren Meditation, um sich einzustimmen und Schritt für Schritt ganz zu öffnen.

 

Danach konzentriert man sich ganz bewusst auf die Körperwahrnehmung. Man fängt an mit einer liebevollen Kontaktaufnahme zu den Füßen, verbunden mit einem Dank an diese wichtigen Körperteile, die uns durch das Leben tragen und die Verbindung zu unserem „Grounding“, zur Erdverbindung, sind. Dann wandert man mit seiner Aufmerksamkeit Schritt für Schritt weiter über die anderen Körperteile – Beine, Becken, Rücken, Brustkorb, Hände, Arme, Schulter, Nacken bis hoch zum Kopf.

Jede Region wird  sanft und freundlich, mit dankbaren Worten und Gefühlen gewürdigt.  Wir können diesen Kontakt auch mit einer liebevollen Berührung unterstützen und intensivieren.

Körperempfinden und Atmung schaffen Bewusstsein

Aus dieser sanften, einfühlsamen Vorgehensweise wird sich das Gespür entwickeln, über welche Körperregion der Zugang in das Körper-Innere erfolgen kann. Hierbei hilft uns vor allem eine tiefe, gleichmäßige Atmung, die richtige Eingangspforte zu finden. So wie die Atemwelle rhythmisch unseren Körper bewegt, können auch wir uns dieser genuinen Bewegung hingeben und uns in der Schwingungsfrequenz mit dem Körper vereinen und zu einem Gefühl der Ganzheit kommen. Wir bewohnen ganz bewusst unsere körperliche Hülle, verbinden uns mit der ihr innewohnenden Energie und können  somit die übliche Dominanz des Verstandes temporär verlassen.

Wenn wir uns in unserem eigenen Energiefeld eingerichtet haben und uns an dem, was wir verkörpern und fühlen, erfreuen, sind wir gegenwärtig. Das heißt, wir sind in einem Bewusstseins-Zustand,  der uns erlaubt, alles was mit uns und um uns herum geschieht anzunehmen und so zu lassen, wie es ist. Wir empfinden uns im Einklang und damit in Verbindung mit dem Selbst, mit unserer wahren Natur.

Und dann werden wir erkennen, dass wir diese Wahrheit, diese Vollkommenheit, dieses Urwissen, bereits von Anbeginn an in uns getragen haben. Wir spüren wieder das Licht, das in uns brennt und uns wärmt und heil sein lässt. In diesem Zustand brauchen wir nicht mehr nach Außen oder hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen, um unseren inneren Frieden und ein bejahendes Lebensgefühl zu finden. Alles, was wir für ein erfülltes Leben brauchen, ist schon in uns und steht uns zur Verfügung.

„Heute mach ich mir eine Freude – und besuche mich selbst.“

„Hoffentlich bin ich Daheim…“

Dieser feinsinnige Ausspruch stammt nicht von einem selbstverwirklichten Yogi,
sondern von dem großen Münchner Kabarettisten, Komiker und Schauspieler Karl
Valentin. In seinem klugen Gedanken liegt eine tiefe Weisheit, die uns mit der Frage
konfrontiert, ob ich überhaupt Freude empfinde, wenn ich mich selbst, mein wahres
inneres Wesen besuche und welche Art von Freude das wohl sein könnte?
Ich besuche mich gern, wenn ich weiß, dass mich in meinem inneren Zuhause Ruhe,
Sicherheit, Wärme, Herzlichkeit und Freude erwarten. Wenn ich an meiner
Eingangstür klingele – die übrigens nur von Innen geöffnet werden kann – dann
hoffe ich, dass ich Daheim bin und mich über diesen Besuch freue. Denn dann kann
ich mit frohem Herzen die Tür zu mir öffnen. Das setzt aber voraus, dass ich mich
mit mir eingehend beschäftige, im Einklang mit mir bin, meine Stärken und
Schwächen kenne und mich grundsätzlich wohlfühle in dem Leben, dass ich mir mit
meinen Möglichkeiten und Fähigkeiten gestaltet habe.
Diese tiefe Sehnsucht, bei sich anzukommen, Ruhe zu finden, sich geborgen fühlen,
einfach zufrieden sein, kennen wir wahrscheinlich Alle. Und unser Bedürfnis danach
steigt, je hektischer und unruhiger die Welt um uns wird und je mehr Leistung,
Engagement und Konzentration von uns gefordert werden.
Es gibt aber auch Menschen, denen der Gedanke Angst macht, sich zu besuchen,
Zeit mit sich zu verbringen und dabei ganz allein mit sich zu sein. Lieber beschäftigen
Sie sich mit zeitraubenden Tätigkeiten und oberflächlichen Beziehungen, stürzen
sich in riskante Freizeitaktivitäten oder geben sich den heute unbegrenzten
Möglichkeiten und Ablenkungen hin, die die moderne Medien- und Erlebniswelt
bietet. Smartphone und Internet sind die verehrten und begehrten „Götzen“ unserer
Zeit und die Befriedigung, die sie daraus erlangen, ist nicht nur kurzlebig und
begrenzt, sondern kann auch in große Abhängigkeiten führen.
Es ist ja auch viel einfacher, sich in einem immer wieder neuen, faszinierenden
Kommunikationsstrudel treiben und mitreißen zu lassen, als sich um das eigene
wahre Wesen zu kümmern. Da Manche sich weit von ihrem Selbst entfernt haben, ist
der Weg zurück beschwerlich und wer weiß, was mich da erwartet.
Wen oder was werde ich wohl antreffen, falls ich mich doch mal dazu entschließe,
mich zu besuchen? Wenn ich befürchte oder glaube, dass mich in meinem Kern
nichts Freudiges oder Freundliches erwartet, habe ich auch keine Lust auf einen
Besuch.

Die Tatsache, dass viele Menschen denken, dass sie Freude nur im Äußeren, in der
Beschäftigung und Handlung finden können ist ein Hinweis darauf, dass sie
entweder nicht wissen, welche Freuden in ihnen wohnen, dass sie den Weg dahin
nicht kennen, oder dass sie einfach Angst davor haben, statt Freude etwas
Unangenehmes, Enttäuschendes zu entdecken.
Ist das nicht verrückt, dass wir ein Leben lang eng mit uns zusammen sind und uns
dabei vielleicht nie richtig kennenlernen? Und falls das vielen Menschen so gehen
sollte, könnte das ein Grund dafür sein, dass wir uns oft unzufrieden, nicht
ausgeglichen, belastet und gestresst fühlen?
An manchen Tagen bin ich tatsächlich nicht bei mir Daheim, möchte mich nicht
besuchen und meine Tür öffnen, weil mein inneres Heim nicht aufgeräumt und
gereinigt ist. Weil ich mir nicht die Zeit genommen habe, es freundlich, gemütlich und
einladend zu gestalten. Manchmal vernachlässigen wir uns und weil wir dann keine
schöne, innere Heimat in uns verspüren, haben wir wenig oder keine Lust auf einen
Besuch.
In der indischen Philosophie der drei Gunas, den Eigenschaften der Natur, bedeutet
diese Wahrnehmung, dass ich mich in „Tamas“, einem trostlosen, trägen,
deprimierenden Zustand befinde, wo alles beschwerlich und freudlos ist und der
Alltag als Last empfunden wird. Oder dass ich in „Rajas“ bin, einer unruhigen,
getriebenen, leidvollen Befindlichkeit, wo meine Lebensfreude kaum noch spürbar
ist. Meistens sind diese beiden Gefühlzustände miteinander vermischt.
Die Wahrheit ist aber, dass jeder Mensch eine Urfreude, ein Urvertrauen, einen
heiligen, geschützten Wesensraum in sich trägt, wo seine Lebensfreude, seine
genuine Energie zuhause ist. Wenn wir in diesem Körper auf die Welt kommen und
mit dem ersten Atemzug und Schrei unser irdisches Dasein beginnen, dann befinden
wir uns in einem freudvollen, unbelasteten, göttlichen Zustand, den die Inder „Sattva“
nennen. Sattva bedeutet Reinheit, Licht, Gleichgewicht, Harmonie. Leider bleibt uns
dieser reine, sattvige Zustand nicht lange erhalten. Wir müssen uns in den folgenden
Lebensphasen immer in einer Mischung aus Tamas, Rajas und Sattva zu Recht
finden.
Gleichwohl tragen wir das Potenzial und die Fähigkeit in uns, auf die Gewichtung
unserer Gefühlzustände Einfluss zu nehmen, indem wir die Identifikation mit diesen
Zuständen überprüfen, unsere übliche Ich-Bezogenheit zurückstellen und versuchen,
die Position eines neutralen Betrachters und Beobachters einzunehmen. So haben
wir die Chance uns zu verändern und aus Tamas und Rajas in Sattva zu kommen.
Der Weg dahin kann beschritten werden, wenn wir uns Zeit für uns nehmen und uns
aus der Gebundenheit an äußere Bedingungen und aus den üblichen
Gewohnheitsmustern lösen. Mit der Konzentration auf die Atmung und der Hingabe
an eine Meditation kann ich den Zugang zu meinem inneren Wohlfühlraum finden.

Wichtig ist dabei, dass ich erwartungslos und anspruchslos mit der Meditation
beginne; d.h. ich lasse geschehen, was geschieht, ich beobachte, was ist, ich
verfolge mit der Meditation kein bestimmtes Ziel. Meine Aktivität besteht einzig und
allein im Zuschauen dessen, was der Geist in diesem Moment macht. Und er wird
gerade am Anfang einer Meditation besonders rege sein und versuchen, mich vom
Hier und Jetzt abzulenken. Doch durch regelmäßige Praxis in Stille und
Konzentration auf die Atmung und meine Körperreaktionen komme ich zu einer
wachen Ruhe, in der der Gedankenstrom nach und nach schwächer fließt, bis ich
schließlich abschalten und entspannen kann.
Die Zeit, die ich mit einer Meditation verbringe, ist nicht nur ein Geschenk an mich
sondern auch Ausdruck meiner persönlichen Wertschätzung für mich, als
einzigartiges, göttliches Wesen. Je öfter ich diesen Weg beschreite und diese Form
von Kontakt zu mir suche, umso leichter und zufriedener werde ich die
Herausforderungen des Alltags meistern können.
Wir alle haben den Wunsch, uns wohlzufühlen und wir tun viel dafür, dass unsere
kleine, private Welt so gestaltet wird, dass sie uns dieses Wohlgefühl bietet. Wir
möchten eine schöne, kuschelige Wohnung, am liebsten mit Balkon oder Garten,
eine berufliche Tätigkeit, die uns erfüllt und Spaß macht, freundliche und liebevolle
Beziehungen zu anderen Menschen, eine finanzielle Basis, die ein interessantes,
und gesichertes Leben ermöglicht. Und wir wünschen uns dauerhaft Frieden,
Harmonie und Freude. Das sind typische und durchaus verständliche äußere
Merkmale eines Lebens, von dem wir glauben, dass es uns glücklich und zufrieden
sein lässt.
Wenn wir nur einen kleinen Teil dessen, was wir in die äußeren Merkmale und
Bedingungen unseres Wohlgefühls investieren, auch für die freundliche Gestaltung
unserer inneren Welt aufbringen würden, dann hätten wir tatsächlich exzellente
Voraussetzungen geschaffen, um häufiger in Frieden, Einklang und Harmonie mit
uns zu sein. Dann würden wir auch gern die schönen Räume unseres inneren
Daheims besuchen.