Die Kraft der Freundlichkeit

Dankbarkeit und Freundlichkeit sind Fähigkeiten, die wir alle in uns tragen und die wir aus unserem Verhalten heraus beeinflussen und praktizieren können. Ich kann mir in Erinnerung rufen, wofür ich dankbar sein kann und fördere damit meine innere Zufriedenheit – und ich kann als Grundeinstellung, mit der ich durchs Leben gehe, bewusst freundlich sein.

Das heißt, ich lasse mich nicht einfach von meinen Stimmungen, Glaubenssätzen und Prägungen leiten und manchmal überwältigen, sondern ich mache mir bewusst, dass ich mit Freundlichkeit mein Lebensgefühl positiv beeinflussen und Lebensenergie entfalten kann.

Im Yoga gibt es ein wichtiges Wort, es heißt Viveka. Viveka bedeutet Unterscheidungs- und Entscheidungsfähigkeit. Wenn ich unterscheiden kann zwischen Wirklichkeit und Unwirklichkeit, zwischen dem was mir guttut und was mir nicht guttut, dann Ich kann mich auch entscheiden, auf welche Seite ich mich stelle und wie ich in das Leben hineingehe.

Die menschliche Natur hat ja ein Doppelgesicht. Es gibt eine egoistische, rücksichtslose, herzlose, brutale Seite und eine freundliche, hilfsbereite, vertrauensvolle, liebevolle Seite. Je nach den Umständen und Situationen in denen Menschen sich befinden, kann es sein, dass mal die eine und mal die andere Seite aktiv wird. Aber sind wir diesen Gefühlen willenlos ausgeliefert? Nein! Wir können uns entscheiden, wer und wie wir sein wollen. Und das ist in jeder Lebensphase möglich. Es kommt nicht einmal darauf an, wie alt man ist. „Es ist nie zu spät, der Mensch zu werden, der man gern sein möchte.“

In der Geschichte von den zwei Wölfen sind die in uns widerstreitenden Gefühle und Verhaltensweisen treffend beschrieben.

Einmal saßen der alte Indianer-Häuptling uns sein kleiner Enkel im Zelt beieinander. Gern hörte der kleine Junge seinem weisen Großvater zu. Heute erzählte er dem Jungen folgende Geschichte: „In jedem Menschen wohnen zwei Wölfe, die miteinander kämpfen. Der eine Wolf hat negative Eigenschaften: Er ist voll von Egoismus, Pessimismus, Habsucht,Grausamkeit, Gier, Unglaube, Hass, Wut, Missgunst und Neid. Der andere Wolf ist das genaue Gegenteil: Er ist voll von Liebe, Vertrauen, Glaube, Hoffnung, Freude, Wärme, Freundlichkeit, Freundschaft und Zuneigung.“

Der kleine Indianerjunge überlegte lange. Dann fragt er den Großvater: „Wenn jeder von uns diese beiden Wölfe in sich trägt, die miteinander kämpfen, welcher von beiden siegt dann am Schluss?“ Da lächelte der alte Mann und antwortetz: „Der, den Du fütterst. Es siegt immer der, den Du fütterst.

Was Freundlichkeit ist, weiß ja jeder von uns. Es bedeutet, anderen Menschen mit Wohlwollen, Respekt und Rücksicht zu begegnen. Sie nicht als Hindernis oder Mittel zum Zweck zu betrachten, sondern als seinesgleichen, mit ihren eigenen Sorgen, Wünschen und Vorstellungen. Ich finde hier das indische Begrüßungsritual „Namasté“ als besonders wegweisend und hilfreich. Denn Namasté heißt übersetzt: „Das Göttliche in mir grüßt oder respektiert das Göttliche, was ich auch in Dir sehe. Das wird meist noch begleitet von einer kleinen Verneigung.

Es drückt also viel viel mehr aus, als ein kurzes „Hallo“, „Hi“ oder „Moin“, wie es bei uns üblich ist.

Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Studien, die den Einfluss von Freundlichkeit auf Physis und Psyche gemessen haben. Freundlichkeit senkt z.B. den Blutdruck, stärkt das Herz-Kreislauf-System, beschleunigt die Wundheilung, fördert die Ausschüttung von Glückshormonen wie Oxytocin und Endorphin und verlangsamt auch den Alterungsprozess.

Und mit Freundlichkeit meine ich nicht nur, dass wir zu anderen Menschen freundlich sind, sondern vor allem auch zu uns selbst. Das ist ja das faszinierende daran, dass sowohl der Empfänger als auch der Geber von Freundlichkeit profitieren. Denn wenn ich freundlich zu anderen bin, hat das auch positive Effekte auf mich selbst. Dazu gibt es einen schönen Gedanken von Mark Twain: „Kein Mensch kann sich wohlfühlen, wenn er sich nicht selbst akzeptiert und zu sich selbst freundlich ist.“ Das drückt sich u.a. darin aus, dass ich mir mal ein kleines Lächeln schenke, dass ich mir ab und zu gedanklich auf die Schulter klopfe und sage: „Das hast du gutgemacht; ich bin stolz auf dich.“Mit solch kleinen Gesten der Wertschätzung können wir in dieser z.Zt. wenig freudvollen Welt, zumindest in unserer kleinen, privaten Welt für ein bisschen mehr Frieden, Freude und Freundlichkeit sorgen. Wenn wir freundlich sind, tun wir uns selbst etwas Gutes und lassen andere an unserer Lebensenergie teilhaben. Wir erschaffen uns so ein Wohlgefühl. Es ist so, als wenn sich in einem Himmel voller Wolken eine Lücke öffnet und die Sonne durchscheint.

Mein Schwiegervater war ein weiser Mann. Er sagte gern: „man schaut lieber in ein freundliches Gesicht, als in ein Griesgrämiges.“ Und damit hatte er recht.  Er selbst hat das immer beherzigt und vorgelebt, selbst als er in seinen letzten Jahren im Rollstuhl sitzen musste. Manchmal sagte er auch mit einem kleinen Lächeln „Freundlichkeit kostet nichts und entspannt.“ Vielleicht kostet es etwas Anstrengung und Überwindung aber man wird meist belohnt mit einer positiven Reaktion von den Menschen, zu denen wir freundlich sind und man fühlt sich selbst besser. Man kann es auch mit einem Wort von Konfuzius sagen: „Es ist besser, ein Licht anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.“

Dankbarkeit – ein wichtiger Schlüssel zur Zufriedenheit

Wir befinden uns z.Zt. in einer Phase großer, gravierender Veränderungen. Veränderungen, die keiner von uns in dieser Form jemals erlebt hat.Dabei vergessen wir oft, dass der Wandel eine ganz normale Entwicklung ist. Wenn wir mal 30 – 50 – 100 Jahre oder noch weiter zurückblicken und uns vor Augen führen, wie die Menschen damals gelebt haben, dann wird uns sofort bewusst, welche wesentlichen Veränderungen die Menschheit in ihrer Geschichte schon erlebt und gemeistert hat.

Unabhängig davon haben wir aber nach wie vor hohe Ansprüche und wachsende Erwartungen an ein gesichertes, glückliches, erfülltes Leben. Doch unser Blick auf das Leben ist getrübt, denn er ist oft ausgerichtet auf das, was uns vermeintlich noch fehlt, um zufrieden zu sein. Wir haben den Mangel im Fokus, schauen meist auf das was fehlt, was nicht in Ordnung ist. Und gerade in der jetzigen Zeit halten uns die Medien täglich vor Augen, was alles nicht stimmt, was dringend saniert werden muss, wo besondere Defizite und Fehler sind, was besser und perfekter sein könnte.

Diese gesamte Situation löst Gefühle der Unzufriedenheit in uns aus. Es lässt uns zweifeln, manchmal mutlos, ja ängstlich werden. Wir sind irritiert und es gelingt uns nur schwer, zur Ruhe zu kommen.

Die Frage ist: Gibt es eine Möglichkeit, aus diesem Teufelskreis auszusteigen? – Ja, die gibt es! Wir könnten das temporär schaffen, wenn wir ganz bewusst einen Perspektivwechsel vollziehen. Wenn wir unseren Blick mal auf das richten, was wir schon haben. Was uns gelungen ist, was wir erreicht haben – und wofür wir wirklich dankbar sein können.

Dankbarkeit ist ein wichtiger Schlüssel zur Zufriedenheit. Wenn ich es schaffe, dankbar zu sein, für das, was mir gegeben ist, dann löse ich mich von meinem „Mangel-Blick“ und werde mit Zufriedenheit und Gelassenheit belohnt. – Dankbarkeit ist nichts anderes als „Übungssache“. Das bedeutet, ich kann im Alltag immer mal wieder innehalten und mir die schönen kleinen und größeren Dinge, die Menschen, die mir wichtig sind, besondere Situationen, Erlebnisse und Errungenschaften in Erinnerung rufen, für die ich von Herzen dankbar bin

Der Herbstanfang ist der ideale Zeitpunkt, um bewusst damit zu beginnen. Herbstzeit ist die Zeit der Dankbarkeit – und Dankbarkeit lässt uns erkennen, wie reich unser Leben bereits beschenkt ist.